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Der Einzelne, das Böse und die Schuld
Ilse Johanna Harries
DRAMEN UND GEDICHTE AUS DEN JAHREN 1930-1950
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Der aktive, meist von Männern getragene
Widerstand gegen das NS-Regime ist erfreulicherweise heute gut erforscht
und vielfältig belegt.
Doch über den Widerstand von Frauen ist, von einigen berühmten
Ausnahmen einmal abgesehen, wenig bekannt, zumal wenn sie, wie Ilse
Johanna Harries, sich im Privaten mit der grundsätzlichen Problematik
des Regimes, der Frage nach dem Bösen, der Schuld und den darin
verstrickten Menschen befaßt haben.
Die Schriftstellerin lebte während der NS-Diktatur in Berlin,
war verheiratet und Mutter von sechs Kindern. In dieser Zeit schuf
sie sechs Schauspiele und etwa 60 Gedichte, die hier als thematisch
gegebene Einheit aus ihrem umfangreichen Werk zum ersten Mal veröffentlicht
werden.
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Fünf dieser Schauspiele - das sechste ist ein Lustspiel - befassen
sich mit der oben genannten Thematik, aber mit eigenem Akzent. Denn
entgegen der üblichen Auffassung, das Böse als eine anonyme
Macht, als ein politisches, gesellschaftliches, wirtschaftliches oder
ideologisches System zu verstehen, verortet sie das Böse grundsätzlich
im Handeln oder Denken des Einzelnen. In dieser Hinsicht sind ihre
Werke und Ansätze aktuell und kritisch zugleich.
Obwohl sich nur das Schauspiel "Marie Holl" direkt auf die
Diktatur des NS-Regime bezieht, - die anderen sind der Geschichte
oder Mythologie entnommen - können alle vor dem zeitbedingten
Hintergrund der NS-Zeit gelesen werden. Mit Marie Holl spricht sie
offen vom Unrecht, von der Willfährigkeit der Menschen unter
der Herrschaft der NS-Diktatur. Wäre dies damals bekannt geworden,
wäre ihr Schicksal besiegelt gewesen.
Ihre bedrückende Ge- und Betroffenheit vom geistigen und realen
Elend jener Zeit versuchte sie insbesondere in ihren Gedichten zu
bearbeiten, ja man muß fast sagen, abzuarbeiten. Denn ohne die
geistige, literarische Auseinandersetzung in Form der Gedichte, wäre
sie dem großen Leid jener Zeit wahrscheinlich erlegen, weshalb
man hier von der heilenden Kraft des Wortes sprechen kann.
Insgesamt: Ein erschütterndes, beeindruckendes und wegweisendes
Werk des geistigen Widerstandes einer Frau.
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Ilse Johanna Harries, DER EINZELNE, DAS BÖSE
UND DIE SCHULD, Gedichte und Dramen 1930-1950, 1. Auflage, Wallerstein
2017, 492 Seiten, Kunstleinen, gebunden, Schutzumschlag, Leseband;
ISBN 978-3-9817775-1-2; Preis: 29,- EUR, portofreie Lieferung.
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