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Karsten
Harries
DIE BAYERISCHE ROKOKOKIRCHE
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Darunter versteht man in der Kunstgeschichte nicht die Rokokokirchen
in Bayern, sondern einen bestimmten Typus von Sakralarchitektur
des Spätbarocks, wie ihn bayerische Baumeister, Stukkateure
und Freskanten entwickelt und weit über die Grenzen Bayerns
hinaus erbaut haben. Allein der kleine bayerischen Ort Wessobrunn
brachte damals ungefähr 600 am Bau oder in der Kunst
tätige Handwerker, Baumeister und Künstler hervor.
Die Wessobrunner wirkten von Paris bis Petersburg, ihre namhaftesten
Vertreter waren die Familien Schmutzer, Zimmermann oder Feuchtmayr;
nicht zu vergessen die Dientzenhofer, die Gebrüder Asam
oder den Baumeister J. M. Fischer.
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Die meisten namhaften Barock-
und Rokokokirchen Süddeutschlands wurden von bayerischen Baumeistern,
Stukkateuren und Freskanten geschaffen. Man denke nur an Birnau (Götz,
Feuchtmayr), an Zwiefalten (Fischer, Spiegler, Feuchtmayr), Steinhausen
(Zimmermann) oder Ottobeuren (Fischer, Feuchtmayr), die alle außerhalb
Bayerns liegen. Auch die Gebrüder Asam arbeiteten neben Bayern
- Niederalteich, Osterhofen, München, Rohr, Aldersbach usw. -
in den angrenzenden Ländern, so z.B. in Weingarten, nicht zu
vergessen die Freskanten Zick, die u.a. in Elchingen wirkten.
Die bayerischen Baumeister und Künstler entwickelten eine besondere
Bauweise der Sakralarchitektur, die in der Rokokokirche ihre höchste
Vollendung erfahren hat, weshalb man zu Recht von der bayerischen
Rokokokirche sprechen kann.
Sie besteht in einer Synthese französischer Architektur, ihrer
klaren Formensprache mit der italienischen Illusionsmalerei sowie
heimischen Elementen: Die Tektonik der Architektur wurde durch Malerei
und Stukkatur künstlerisch so aufgehoben, daß ein optisches
Gesamtkunstwerk, ein einheitlicher Raum, eine Art betretbares Bild
entstanden ist. Bei diesem künstlerischen Prozeß spielten
Rocaille, Lichtführung und illusionistische Deckenmalerei eine
entscheidende Rolle.
Das Muschelornament, wie man Rocaille übersetzen könnte,
entwickelt durch die Hand der Stukkateure eine eigene Dynamik: Es
verliert seine natürliche Form, löst sich von seinem Grund
und wurde ein selbständiges abstraktes Kunstwerk; zugleich verschleift
es die tektonischen Grenzen und ermöglicht eine Einheit von Architektur,
Malerei und Interieur.
Die gekonnt, gewollte Lichtführung u.a. durch die Anordnung der
Fenster erweckt den Eindruck eines indirekten Lichtes, das den Raum
erweitert und entgrenzt. Ein Höhepunkt der Lichtführung
geschah durch einen Zwei-Schalenraum (Zimmermann und Neumann) mit
Säulen und Außenwand. Zusätzlich tendieren die Bauten
zu einem sich perspektivisch verkürzten, aber dynamischen Raumeindruck.
Mit der illusionistischen Deckenmalerei wurde dieser Raum zugleich
vertikal geöffnet bzw. ins Unbestimmbare erweitert.
Diesen interessanten künstlerischen, geistigen und gesellschaftlichen
Prozeß nachzuzeichnen, ist Anliegen und Aufgabe des Buches.
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Karsten Harries, DIE BAYERISCHE
ROKOKOKIRCHE, Neu überarbeitete und erweiterte Übersetzung
aus dem Englischen: "The Bavarian Rococo Church - Between
Faith and Aestheticism"; 1. Auflage, Dorfen 2009, - 432 Seiten,
32 Farbabbildungen, 100 sw-Abbildungen; Leinen, gebunden, Schutzumschlag,
Leseband; ISBN 978-3-9810376-4-7; Preis: 49,- EUR, portofreie
Lieferung.
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